Sonntag, 8. Januar 2012

Plötzlich sieht die Welt ganz anders aus...

Am 24.11.2011 war ich erneut in der Praxis. Es wurde erneut eine Blutprobe genommen um das Ergebnis noch einmal bestätigen zu lassen.
Ich erhielt eine Überweisung zur psychosozialen Beratung an der Uniklinik. Dieses Gespräch tat mir sehr gut, jedoch war aktuell keine weitere Behandlung vorgesehen. Halte ich im Moment auch nicht für notwendig.
Weiterhin wurde der humangenetische Befund dem behandelnden Arzt im Brustzentrum zugestellt. Leider erhielt ich erst in der zweiten Dezemberwoche einen Termin. Ich hatte natürlich vor so schnell wie möglich alle denkbaren Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen. Das muss allerdings gut organisiert werden und die dazu erforderlichen Ärzte gesucht werden. Mein Herr Dr. versprach mir dies komplett zu koordinieren da er über gute Kontakte zu einer radiologischen Praxis und einem Onkologen pflegt. Diese Ärzte treffen sich wöchentlich um aktuelle Fälle zu besprechen. Leider ist aufgrund einer Tumorkonferenz vor Weihnachten kein Meeting mehr zu Stande gekommen, Weihnachten und die erste Januarwoche sowieso nicht. Nun erhoffe ich das ich nächste Woche angerufen werde um meinen Vorsorgeplan zu besprechen und in Kürze die ersten MRT's zu bekommen. Zumal stellt sich in meinem Alter noch die Frage, ob die Krankenkasse die Notwendigkeit dieser Untersuchungen auch sieht und ihre volle Kostenübernahme zusagt. Um dies wollte sich die Radiologin auch kümmern.

Ich bin gespannt was nächste Woche passiert. Da es mir seit Ende Dezember nicht wirklich gut geht und mich hier und da etwas plagt, hoffe ich natürlich das nun alles schnell geht. Diese Angst das jenes Zipperlein der Anfang von irgendwas sein könnte kann einem ganz ehrlich den Schlaf rauben.

Mein Weg ...

Als meine Mutter verstarb war ich 16 Jahre alt. Natürlich machte auch ich mir Sorgen ob ich nicht auch einmal erkranken könnte und fragte daher nach optimaler Vorsorge bei meiner Frauenärztin nach. Auch sie kannte meine Mutter. Ihre frühe Erkrankung nahm diese Ärztin jedoch nicht zum Anlass, meine Brust abzutasten: "das mache ich erst bei Frauen ab 30" Ich war erst einmal nur schockiert.
Einige Wochen später erfuhr ich von einer neuen gyn. Praxis in meiner Nähe und besorgte mir dort einen Termin. Was mich da erwartet hat übertraf all meine Vorstellungskraft. Diese Ärztin die diese Praxis eröffnet hat war die behandelnde ehemalige Stationsärztin meiner Mutter. Sie übernahm daher genau das was man erwartet hat und sorgte sich sehr um mich und meine Schwester. Ich habe mich dort immer sehr gut aufgehoben gefühlt. Auch nach meinem Umzug aus meiner Heimatstadt bin ich 1x jährlich zu ihr gegangen.
Ich habe sehr sehr sehr viele gyn. Praxen getestet und muss sagen, dass ich immer wieder auf Ärzte gestossen bin die die Geschichte meiner Familie nie ernst genommen haben. Auch nach einem neuen Umzug nach Bautzen, war ich mehr als enttäuscht das die Ärzte sich meinem Gefühl nach nur darum sorgen, so schnell wie möglich ein "wie tastet sich die Patientin selber ab Zettelchen" in die Hand zu drücken und "Sie sollten sich für eine Hormonspirale entscheiden Gespräch" abwimmeln. Da ich jedoch einen Arzt gesucht habe der auch alternative Spiralen anbietet, bin ich auf eine Praxis in Dresden gestossen. Gleich bei der ersten Sprechstunde empfahl er mir einen befreundeten Arzt im Brustzentrum des Klinikum Dresden-Neustadt. Einige Monate später hatte ich dort auch einen Termin zur ausführlichen Brustkontrolle mit Ultraschall. Alles ohne Befund. Er fragte mich, ob evtl. Interesse meinerseits bestehen würde, mich auf das Brustkrebsgen untersuchen zu lassen und erklärte mir sehr viel drumherum. Ich hatte bis dato noch nie mit dem Gedanken gespielt aber langsam überlegte ich mir ein Für und Wider. Ich entschied mich Für.
Kurze Zeit später hatte ich schon meinen Termin bei der humangenetischen Praxis. Es erfolgten in den darauffolgenden Wochen zwei lange ausführliche Beratungsgespräche. Mir ging es gut, ich hatte keine Beschwerden. Ich blieb bei der Meinung die Untersuchung durchführen zu lassen. Einige Tage nach der Blutabnahme fuhren wir für drei Wochen in den Urlaub. Ich solle doch in ca. 5-6 Wochen wegen dem Ergebnis in die Praxis kommen. Drei Tage bevor wir unseren Rückflug antreten sollte rief mich die Ärztin an, ich solle doch sobald ich zu Hause bin umgehend einen Termin vereinbaren. Am 17.11.2011 bekam ich den Befund. Das gesuchte Brustkrebsgen wurde nicht gefunden. Ich habe erstmal gut durchgeatmet. Allerdings wurde eine Veränderung im TP53 Gen festgestellt. Damit konnte ich nichts anfangen und meine Ohren standen auf Durchzug. Alles was sie darüber erzählte klang viel schlimmer als ich es mit dem Brustkrebsgen erwartet hatte. Meine Ärztin bat mich das sacken zu lassen und ich sollte doch in einigen Tagen erneut zu ihr kommen. Zu Hause sofort schlau gemacht. Eine Welt brach für mich zusammen... Für alle folgende Erklärung dazu:
Beim Li Fraumeni Syndrom handelt es sich um eine erbliche Tumor-Disposition. Bei etwa 77 % der Familien mit einem Li Fraumeni Syndrom wird eine angeborene Genveränderung (Keimbahnmutation) im P53 Gen auf Chromosom 17 nachgewiesen. Die Häufigkeitsangaben für eine solche Keimbahnmutation im P53 Gen schwanken in der Literatur zwischen 1:5000 und 1: 20.000 Menschen.

Bei etwa 2-7 % aller Frauen mit einer Brustkrebserkrankung, die vor dem 30.Lebensjahr aufgetreten ist, wird eine solche Mutation als Ursache nachgewiesen. Das p53 Gen ist somit neben dem BRCA1-, BRCA2- und RAD 51c-Gen ein weiteres „Brustkrebs-Gen“, welches bei gezieltem Verdacht und nach einer entsprechenden Beratung durch eine Blutuntersuchung untersucht werden kann.
Beim Li Fraumeni Syndrom besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, irgendwann im Laufe des Lebens eine Tumorerkrankung zu entwickeln. Die häufigsten Tumorerkrankungen beim Li Fraumeni Syndrom sind Weichteilsarkome, Osteosarkome, Brustkrebs, Hirntumore, Nebennierenkarzinome, Leukämien, Lymphome. 50 % der Tumorerkrankungen beim Li Fraumeni Syndrom sind bösartige Tumore der Brust bzw. Sarkome. Auch andere bösartige Tumorerkrankungen z.B. der Eierstöcke, des Magen-Darm-Traktes, der Bauchspeicheldrüse, der Lunge, der Nieren, der Gebärmutter, der Schilddrüse und der Prostata können auftreten.
Die Häufigkeit einer Tumorerkrankung vor dem 20.Lebensjahr wird mit 10-42 % angegeben, zum Teil treten die Tumore bereits im Kindesalter auf. Tumore im Kindesalter werden besonders häufig bei Vorliegen zusätzlicher genetischer Veränderungen (sog. Modifikatoren) beschrieben, die ggf. untersucht werden können. In einem Teil der Familie mit Li Fraumeni Syndrom wird das Phänomen der genetischen Antizipation beschrieben, d.h. in diesen Familien kann die Erkrankung bei den Betroffenen von Generation zu Generation immer früher auftreten. Häufig bleibt es bei den Betroffenen nicht bei einer Tumorerkrankung. Das Risiko einer zweiten Krebserkrankung bei Keimbahnmutation im p53 Gen wird mit 57 % und das Risiko einer dritten Krebserkrankung mit 38 % angegeben.
(Quelle: http://www.senolog.de/?p=3363)




Was bisher geschah...

So lange wie ich denken kann bewegt mein Leben irgendeine Krebserkrankung eines Familienmitgliedes. Angefangen hat es damals, 1984, mit meinem geliebten Patenonkel, der kleine Bruder meiner Mutter. Mit 23 Jahren fühlte er sich plötzlich nicht mehr wohl. Seine Hand- und Fußgelenke schmerzten, er bekam Fieber. Im Krankenhaus wurde nichts festgestellt so dass er in eine Klinik in die nächstgrössere Stadt überwiesen wurde. Dort wurde ein 8x6 cm grosser Tumor in der Lunge festgestellt, der sofort operiert wurde. Leider wurde während der OP festgestellt, dass sich überall Metastasen gebildet hatten. Die endgültige Diagnose lautet damals "hochgradig anaplastischer maligner Tumor". Er starb im Juni 1986. Kurz darauf wurde ich eingeschult. Zu dieser Zeit versuchte meine Familie zur erklären, was es mit dieser schrecklichen Krankheit auf sich hat. Auch mein Opa, der Vater meiner Mutter verstarb sehr jung mit 44 Jahren an Krebs.
Meine Schwester verspürte im Alter von 10 Jahren im Mai 1992 das erste Mal Schmerzen im Steißbein, begleitend mit Schwierigkeiten beim Toilettengang. Da zu dieser Zeit in Ostdeutschland ein MRT nicht selbstverständlich war und ein solches Gerät nur in einer Klinik im Norden vorhanden war, wurde erst im Juli nach wochenlanger Behandlung durch Abführmittel und Katheterbehandlung ein MRT angefertigt. Es wurde ein Ewing-Sarkom im Steißbein diagnostiziert. Die Chemotherapie und Bestrahlungen wurden im Januar 1993 erfolgreich beendet. Sie ist jetzt 29 Jahre alt und gilt als gesund.
Im September 1992 ertastete meine Mutter selbst einen Knoten in der Brust der auch sofort operiert wurde. Die betroffene Brust wurde voll amputiert. Es erfolgte auch Chemotherapie und Bestrahlung, jedoch wurde zwei Jahre später eine weitere OP durchgeführt da sich erneutes Tumorgewebe in den Lymphknoten gebildet hatte, was nicht komplett entfernt werden konnte. Im Zuge dieser Behandlung wurden auch noch Metastasen an der Lunge festgestellt. Meine Mutter wurde über diese Fakten nicht aufgeklärt da sie in keiner guten psychischen Verfassung aufgrund der eigenen Erkrankung und der meiner Schwester gewesen ist. Es galt als inoperabel. Auch wir haben erst davon erfahren als ich alle Arztberichte und Befunde im Rahmen der humangenetischen Beratung aus den Krankenhäusern angefordert habe. Meiner Mutter ging es nie mehr danach gut. Im Dezember 1995 bekam sie plötzlich Atemnot und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Es wurde Wasser in der Lunge festgestellt was täglich punktiert werden musste. Zu Weihnachten war sie noch einen Tag zu Hause wollte aber zurück ins KH da es ihr sehr schlecht ging.  Sie verstarb mit 37 Jahren Ende Januar 1996.